Wir sind nicht unsere Emotionen.

Über Emotionen am und mit dem Pferd ist schon so mancher Artikel geschrieben worden. Auch mich beschäftigt dieses Thema immer wieder, weshalb ich ebenfalls meine aktuellen Gedanken dazu niederschreibe. Inspiriert hierzu hat mich mein Ruby, der sehr extrovertiert mit seinen Emotionen umgeht. Auch ich bin ein ziemlich emotionaler Mensch und erlebe häufig ganz unterschiedliche Emotionen in unmittelbarer Abfolge. Nun gibt es verschiedene Meinungen darüber, ob man Emotionen während der Arbeit oder überhaupt während des Zusammenseins mit dem Pferd zulassen oder negieren soll. Ich persönlich bin mir sicher, dass ein Pferd unsere Emotionen direkt wahrnimmt, vielleicht sogar, bevor uns selbst die jeweilige Emotion bewusst ist. Es spricht also Einiges dafür, Emotionen nicht unbedacht ans Pferd zu lassen. Aber können wir das überhaupt? Emotionen derart ausblenden, dass sie für ein Pferd nicht mehr wahrnehmbar sind? Ich habe das schon oft versucht, mit dem Ergebnis, dass ich hinterher das Gefühl hatte, mein Pferd belogen zu haben, weil ich die jeweilige Emotion versucht habe vor ihm zu verstecken, dabei aber Verwirrung gestiftet habe, weil das Verstecken nicht funktioniert hat, ich mich "falsch" im Hinblick auf die vom Pferd wahrgenommene Emotion verhalten habe. Natürlich ist mir auch schon das Gegenteilige passiert, nämlich das Ausleben einer Emotion, die dem Pferd gegenüber nicht fair war, zum Beispiel Wut oder Ärger. Egal ob wir Gründe haben, ärgerlich oder gar wütend zu sein, das Pferd kann nicht dafür verantwortlich sein. Es verhält sich seiner Natur entsprechend. Und wenn uns das nicht gefällt, gefallen uns entweder grundsätzlich Pferde nicht (unwahrscheinlich) oder wir ärgern uns eigentlich über uns selbst, da wir der Grund für das Verhalten des Pferdes sind, zumindest wenn wir maßgeblich an dessen Ausbildung beteiligt waren bzw. sind.

 

Wenn mir passiert ist, dass ich meine Emotionen nicht kontrollieren konnte, hatte ich danach oft  einen emotionalen "Kater", ein schlechtes Gewissen ob meiner Unachtsamkeit der Pferdeseele gegenüber. Aber was heißt es eigentlich, seine eigenen Emotionen zu kontrollieren? Sie passieren uns ja sozusagen, ohne dass wir sie aktiv heraufbeschworen hätten ("Los! Freu Dich!" funktioniert wohl in den wenigsten Fällen ...) Mein Weg, vor allem mit meinen negativen Emotionen (nicht nur) am Pferd umzugehen, beinhaltet die bewusste Akzeptanz der jeweiligen Emotion. Das heißt, ich muss sie zuerst bemerken, sozusagen nach ihr suchen, in jedem Moment, damit ich sie bewusst wahrnehmen kann. Der nächste Schritt ist dann die Akzeptanz, aber nicht im Sinne von Resignation, sondern objektiv, als wenn ich mich von außen (aus Sicht des Pferdes?) betrachten würde. Dadurch bin ich sofort einen Schritt entfernt von der Emotion und kann mich im Bedarfsfall von ihr lösen, was meist schon während der objektiven Betrachtung von selbst passiert. Und dann stelle ich fest: Wir sind zwei - meine Emotion und ich. Sie ist zwar bei mir, aber sie ist nicht das, was ich bin. Ich bin viel mehr als meine Emotion und kann selbst entscheiden, inwieweit meine Emotion und ich gemeinsame Zeit verbringen. Ich kann im Gegensatz zu meiner Emotion rational denken und entscheiden. Ich kann mich entscheiden, welche Hilfe ich dem Pferd geben will und in welcher Intensität. Ich kann entscheiden, ohne meine Emotion fortzufahren (und dabei observieren, welche nächste Emotion im Anmarsch ist).

 

Das Gleiche gilt übrigens für die Emotionen meines Pferdes. Wenn es passiert, dass es sich aufregt - egal ob über mich, andere äußere Umstände oder möglicherweise über sich selbst - so nehme ich dies wahr, kommentiere dies aber nicht, weder verbal noch aktiv und auch nicht mittels einer Emotion meinerseits. Ich akzeptiere die Emotion des Pferdes genauso wie meine, ohne diese anzunehmen.

 

Und nein - mir gelingt das auch nicht immer, was ich hier geschrieben habe. Aber ich bemühe mich immer und immer wieder, darin besser zu werden, schlicht ein besserer Mensch (für meine Pferde) zu werden.

 

Ja, und dann gibt es natürlich noch die positiven Emotionen und natürlich lasse ich diese gerne zu, sowohl bei mir als auch meinem Pferd, schließlich ist echte Freude ein sehr großes Lob und bestärkt das Pferd in seinen Bemühungen, es uns recht zu machen. Aber auch hier hüte ich mich davor, mich von der Emotion abhängig zu machen, auch wenn sie positiv ist. Was ist, wenn wir sie nicht reproduzieren können, aber dies doch so gerne möchten? Können wir glücklich sein ohne die Anwesenheit von Freude? Ich möchte nicht darauf warten, dass eine Emotion mir "passiert", damit es mir besser geht und ich Freude in der Arbeit oder im Zusammensein mit meinem Pferd empfinde. Ich möchte ich sein, in jedem Moment. Und ich freue mich, dass meine Emotionen immer mit von der Partie sind. Aber sie sind nicht ich und ich kann mit meinem Pferd zusammen sein und jeden Moment genießen und dabei betrachten, was für viel grundsätzlichere Emotionen wie Dankbarkeit und Zufriedenheit dies wachsen lässt. Was mich zu dem Schluss bringt, dass man Emotionen eben doch trainieren kann, nämlich über den Geist, über den Umweg des Rationalen. Und mit dieser Basis kann ich freudige Emotionen viel mehr genießen, ohne dass ich Angst haben muss, dass sie so nicht wieder kommen, weil diese eine Lektion oder Situation so nicht wieder abrufbar ist, etwas Einmaliges war. Den Moment habe ich genossen. Und dann erfreue ich mich wieder an meiner Dankbarkeit und Zufriedenheit.

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